Dr. Günter Alfs
Ich lebe mit meiner Familie gefühlt seit Ewigkeiten in Hude, bin hier zur
Grundschule gegangen und verbringe ebenda jetzt meinen Ruhestand.
Mein Bild stellt eine kleine Skulptur aus unserem Garten dar.
Wie bin ich zur Photographie gekommen?
Meine erste Kamera haben mir meine Eltern zu Grundschulzeiten geschenkt,
wenig spektakulär. Ein eher preiswertes Produkt aus dem Fernen Osten (DACORA
Rollfilmkamera), das ich noch habe.
Die Ergebnisse waren sicherlich verbesserungsfähig, aber es hängen Erinnerungen daran. Eine nicht unwichtige
Funktion des Photographierens. Heute arbeite ich mit einer SONY Alpha 7 III.
Und dann?
Lange Zeit tat sich kaum etwas in dieser Hinsicht. Erst in Studienzeiten
erwachte mein Interesse wieder, vielleicht auch, weil mich die MINOLTA XD 7
wegen ihrer technischen Finessen reizte. Recht schnell wurden alle möglichen
Objektive, Filter und Filme gekauft, um möglichst viel auszuprobieren.
Aber es ärgerte mich immer wieder, dass ich den Film weggab und irgendwann
mehr oder weniger gelungene Farbbilder – meistens von FOTO PORST - in
Händen hielt. Eines Tages fiel dann die Entscheidung für ein Schwarz-Weiß-
Labor.
Welche Folgen hatte das?
Die Reduktion auf zwei Farben schuf bei mir eine andere Sicht auf die Welt. Ich
ging irgendwann sozusagen mit Schwarz-Weiß-Augen durch die Gegend. Dies
entlastete mich von der oftmals verwirrenden Vielfalt des Bunten zugunsten der
Konzentration auf das jeweilige Motiv sowie seine bildnerische Gestaltung.
Zwei Farben: schwarz und weiß?
Ich will die Debatte, inwiefern dies überhaupt Farben sind, nicht aufwärmen.
Sondern auf einen Fehler aufmerksam machen: Der entscheidende Impuls ist
die Mischung aus beiden, nämlich grau. Hiermit gelingt die Gestaltung, die
Abstufung, die Differenzierung. Und damit die genauere Erfassung der Realität,
sozusagen der Blick hinter die Kulissen. Wenn man so möchte: Man reduziert
zuerst, abstrahiert von der farbigen Vielfalt, um viel genauer das wirklich
Wichtige im Motiv, in der Gestalt, in der Form herauszuarbeiten.
Wie sah es in der Schule aus?
Natürlich blieb mein Hobby meinen jeweiligen Schulleitern nicht verborgen.
Viel Freude hat es mir immer wieder gemacht, Schülerinnen und Schülern
Photographieren, Entwickeln und Vergrößern nahezubringen. Wenn ich ehrlich
bin: Mein Herz hängt noch heute an dieser klassischen, analogen Form.
Und, wie weiter?
Irgendwann nahm mich der Beruf so sehr in Anspruch, dass ich keine Muße mehr
für die Bildgestaltung zu haben meinte. Außerdem lief die analoge Photographie
aus und die ersten Vorboten der digitalen Nachfolge machten sich breit. Ich
verpasste den Anschluss, die Entwicklung überrollte mich. Und
ich nahm mir vor: „Wenn Du im Ruhestand bist, dann holst Du das nach! Dann
hast Du die Muße wieder!“
Was ist jetzt damit? Mit der Muße?
Ich antworte ausweichend: Mehr Zeit ist da. Zweifelsohne! Aber ich trauere
insgeheim immer noch dem Analogen nach, bei dem man gestaltete, ohne das
Ergebnis sofort kontrollieren zu können. Das liegt vielleicht daran, wie ich
vorgehe: Wenn ich ein Bild mache, habe ich vorher eine Idee, eine Vision dieses
Bildes im Kopf und versuche, anhand der Gestaltung diese Vision umzusetzen,
zu erfüllen. Und das gelingt mir leichter mit schwerem Material in der Hand.
Mit dem Handy gar nicht! Das haptische Moment spielt für mich eine nicht zu
unterschätzende Rolle.
Aber jetzt hängt ein Bild von Dir in der Ausstellung!
Wenn Photographieren für mich einerseits Dokumentation, Gestaltung und
Umsetzung von Ideen bzw. Bildvisionen ist, dann ist es weiterhin auch der
Versuch, im Kleinen etwas über sich Hinausweisendes zu entdecken. In der
Literaturwissenschaft definiert man auf diese Weise ein „Symbol“: das Herz als
Zeichen für Liebe und Zuneigung, die Waage als das der Gerechtigkeit.
Wenn unter 100 Aufnahmen zwei sind, die diese Ansprüche annähernd oder
weitgehend erfüllen (Erinnerung, Konzentration auf das Motiv, Blick hinter die
Kulissen, Muße zur Bildgestaltung, Idee/Vision des Bildes, Symbol, Entlarven der
Wirklichkeit), stimmt mich das zufrieden.